Gedanken zur Familiensynode

Es gibt nichts zu spekulieren. Man muss jetzt ruhig halten und still abwarten. Aber unser Medienbetrieb, der ständig Formate und Programme zu füllen hat, kann das gar nicht.

Hat der Papst gut daran getan, die eigentlichen Verhandlungen der Synode entgegen dem früheren Usus nichtöffentlich zu halten? Der Vorteil ist die Freiheit der Rede, der Nachteil das Misstrauen, die Berichterstatter könnten die Debatten nachträglich in ihrem Sinne schönen. Ich denke, er hat das kleinere Übel gewählt. Damit kämpft er ganz stimmig an der Medienfront gegen den Ungeist des Konsumismus, wie er es auch sonst überall und jederzeit tut. Er zwingt die Interessierten, die sonst nichts tun können, zum Beten. Das hat sehr viel Sinn.

Man könnte sagen, wir müssen nicht auf das Ende der Synode warten, sondern auf das spätere Dokument des Papstes. Aber da der Papst ganz gewiss auf die Realität der Weltkirche eingehen wird, so wie sie sich während der Synode darstellt, ist der augenblickliche Prozess doch von sehr großer Bedeutung.

Mögen die theologischen Konfliktparteien, so wie sie derzeit auf der Synode repräsentiert sind, auch brüderliche Konkordanz anstreben – daheim zelebrieren ihre Gefolgschaften in den unermüdlichen Medien doch kaum bemäntelte Unversöhnlichkeit.

Das Schicksal der katholischen Kirche wird nicht in Rom entschieden. Der gegenwärtige Papst weiß das, er macht nur das Beste aus der Situation. Was Besseres als die Streithähne zum Miteinander-Reden zu zwingen, kann er nicht tun. Ob das die Einheit der Kirche retten wird, liegt nicht beim Papst, es liegt bei Gott allein.

Von der Gefahr eines neuen Schismas zu sprechen ist kein Unkenruf, es ist heilsamer Realismus. Einerseits kann man sich sagen: Wenn auf der Synode alle Beteiligten hochnervöse Angst vor einer Spaltung haben, werden sie eine solche auch zu verhindern wissen. Das mag sein. Aber wie weit reicht das? Das unterstellt, dass die Spaltung sich durch einen Willensakt vermeiden lässt. Für die aktuelle Synode selbst könnte diese Annahme vielleicht gelten. Aber für die Weltkirche in zwanzig oder auch schon in zehn Jahren?

Große konservative Teile der weltweiten katholischen Kirche sind eisern entschlossen, in der Debatte um deren förmlich-faktisch geltende rigide Doktrin über die christlichen sozialen Lebensformen keine Handbreit nachzugeben und dementsprechend nicht einmal ein bloßes versöhnliches Zeichen in dieser Richtung zu senden. Andere Teile der Kirche werden diesen Weg unter keinen Umständen mitgehen, ohne deswegen ihr profundes und glühendes katholisches Selbstverständnis aufzugeben. Es ist zu erwarten, dass die letztere Gruppe sich auf Dauer als etwas kleiner erweist als die erstere, aus dem einfachen Grund, weil die sogenannten „Progressiven“ auch die mit einer Lossagung von der Kirche innerlich Ringenden mit einschließen, von denen einige diesen Schritt unvermeidlich vollziehen werden, wenn sie sehen, dass ihre Position sich in der Weltkirche nicht eindeutig durchsetzen kann. Aber das bedeutet nicht, dass die Ultrakonservativen deswegen irgendetwas zu „gewinnen“ hätten. Sie treiben die Kirche mit ihrem harten Kurs ins weltgesellschaftliche Abseits.

Sie bedienen sich des bewährten „Ockhamschen Restarguments“. Ihre theologischen Begründungen sind plausibel, konsistent und kohärent. Doch das gilt für diejenigen genauso, die die Ansicht vertreten, die Stärke des Christentums und des Katholizismus liege gerade darin, auf die besonderen gesellschaftlichen Umstände einer bestimmten Zeit präzis eingehen zu können. Das hat den Missionserfolg des Christentums begründet, und es wurde unterm Strich immer als richtig angesehen. Sogar vom heiligen Wüsten- und Mönchsvater Antonius, der gewiss nicht als „Liberaler“ gilt, ist die Metapher vom „überspannten Bogen“ überliefert (Verba Seniorum X,2, Migne PL 73, S. 912). Wenige Seiten zuvor im selben Vätertext findet sich übrigens ein Wort von Papst Franziskus, das dieser spektakulär auf Homosexuelle in der Kirche münzte, von dem aber nur allzu wenige erkannt haben, dass es ein ehrwürdiges Zitat des Abbas Poimen ist: „Wenn du Ruhe finden willst in dieser und in der kommenden Welt, sag in jeder Angelegenheit: Wer bin ich? und urteile über niemanden.“ (IX,5, Migne PL S. 910)

Jene Katholiken, denen ich mich anschließe, werden ihr Christsein weiterhin in einer weit offenen und gleichzeitig ihrer eigenen Überzeugung zufolge ungebrochen katholischen Art und Weise leben. Dabei erkennen sie, dass die Positionen der kirchlichen Ultrakonservativen von Bedürfnissen und Ängsten bestimmt sind, und versuchen diese zu stillen und zu lindern; allerdings nicht auf Kosten derer, die sich nicht nur schmerzhaft, sondern auch gegen den Willen Christi ausgeschlossen fühlen müssen, wo ultrakonservative Vorstellungen die Kirche unwidersprochen gestalten dürfen.

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