Hier kommt eine praktische Handreichung für alle diejenigen, die sich mit Verschwörungsideologen auseinandersetzen müssen (in anderen oder vielleicht auch in sich selbst). Solche Vorkommnisse sind ja dieser Tage deutlich häufiger geworden – ausgelöst durch die Tatsache, dass Viren schwer zu verstehen sind. Gewiss, wenn einmal ein geschlossenes Weltbild vorliegt, ist mit der betroffenen Person keine echte Diskussion mehr möglich. Aber es gibt ja glücklicherweise auch noch die Anderen – mehrheitlich sogar. Möge es so bleiben – aber vielleicht müssen wir dafür tatsächlich aktiv etwas tun.
Also, wenn du in Kürze mal wieder einem Verschwörungsideologen gegenüberstehst – dass du ihn als solchen erkannt hast, setze ich hier einfach mal als relativ unproblematisch voraus -, solltest du, anstatt ihn aggressiv zu attackieren, ihm wahlweise folgende interessiert-kritischen Rückfragen stellen, solange er sich das gefallen lässt:
(1.) „Holla, dein Weltbild ist ja heftig negativ. Etwas Positives kommt darin anscheinend überhaupt nicht vor. Wie hältst du es denn aus, in einer so schlechten geistigen Energiesphäre zu leben? Die ist bestimmt noch ungesünder als die stärkste G5-Strahlung. Dir geht es nicht gut damit, oder?“
(2.) „Schaust du dir eigentlich manchmal selber beim Denken zu? Ich meine, ist dir klar, dass die Gründe für das, was du denkst, immer zum Teil auch in deiner eigenen seelischen Persönlichkeit begründet liegen, und nicht nur im Verhalten anderer oder in sonstigen äußerlichen Bedingungen und Umständen?“
(3.) „Du wirkst stark gestresst und nervös. Hast du schon mal vom ‚Henne-Ei-Problem‘ gehört? Nein, das ist keine neue Verschwörungstheorie, sondern es geht dabei um die Frage, was zuerst da war – in diesem Fall: dein tiefes innerliches Unbehagen oder die scheinbaren äußeren Anlässe dafür?“
(4.) „Okay, du sagst, ‚DIE‘ wollen, dass ‚wir‘ alle doof und zufrieden sind – bei dir scheint das ja nicht funktioniert zu haben. Aber warum säufst Du Dir dann nicht lieber einfach die Birne weg, um dich selber aktiv doof und wenigstens stimmungsneutral zu machen oder zu halten, anstatt hier so angestrengt mit mir über all das zu reden? Wäre Alkohol in diesem Fall nicht eine gute Lösung?“
(5.) „Ich vermisse eine nachvollziehbare Logik hinter der Kommunikationshaltung, in der du als Verschwörungsideologe gerade mit mir sprichst: Ich höre mir das ja zwar mehr oder weniger geduldig an – aber warum erzählst du mir das alles eigentlich überhaupt? Du siehst doch, dass ich es nicht glaube. Sollte es dir also nicht höchst wahrscheinlich vorkommen, dass ich zu ‚IHNEN‘ gehöre? Du kannst doch auch sonst ‚eins und eins zusammenzählen‘, wie du sagst. Solltest du mich also nicht sicherheitshalber lieber gleich zu deinen mutmaßlichen finsteren Feinden rechnen und besser gar nicht mehr mit mir reden? Du siehst dich doch in der Opferrolle, sagst du – warum gehst du dann aber mit deiner Verschwörungsideologie hausieren, wenn für dich doch sehr wahrscheinlich sein müsste, dass ‚SIE‘ dir für diesen Geheimnisverrat massiv eins auf die Mütze geben werden? Vernünftig kommt mir das an deiner Stelle nicht vor. Pass mal lieber gut auf dich auf.“
(6.) „Hm – das, was ‚SIE‘ offensichtlich erreichen durch die Handlungen, die du ‚IHNEN‘ zuschreibst, ist, dass es auf der Erde tausende verschiedener Gruppen und Grüppchen gibt, die unterschiedlichen, inkompatiblen, einander widersprechenden Verschwörungsideologen anhängen, wodurch sich die Menschheit immer weiter von ihrer Fähigkeit und Bereitschaft entfernt, miteinander eine funktionierende Gesellschaft zu bilden. Muss ‚IHNEN‘ dieser Verlauf der Dinge aus ‚IHRER‘ Perspektive denn nicht als ein beknackter Schuss in den Ofen erscheinen? Denn ‚SIE‘ wollen doch Kontrolle, nicht Chaos – oder habe ich dich da falsch verstanden? Ich meine, wer der Menschheit bloß blindlings schaden wollte, indem er sie ins Chaos stürzt, könnte dieses Ziel doch sicherlich auch mit weitaus einfacheren Mitteln und weniger Aufwand erreichen (da wüsste sogar ich harmloser Geist spontan mehrere probate Wege, wie das relativ leicht zu bewerkstelligen wäre) – während im Hinblick auf alle anderen, subtileren Zielsetzungen ein bloßer Zerfall des sozialen Miteinanders, wie wir ihn dank Verschwörungsideologen jetzt erleben, doch in jedem Fall als ein Reinfall und als ein unbrauchbares und sinnloses Resultat anzusehen ist, oder?“
(7.) „Eines verstehe ich nicht: Wenn es diese geheimen Super-Machtmittel gibt, von denen du sprichst, weshalb brauchen dann manche sehr mächtigen Politiker bis heute noch andere, plumpere Mittel der Machtausübung? Warum z.B. müssen manche von ihnen im einundzwanzigsten Jahrhundert noch so weit gehen, ihre Gegner ostentativ zu vergiften? Diese Politiker wären dann in ihrer Herrschaftsmethode ja ganz schön rückständig – sind aber trotzdem immer noch ganz oben in der Hierarchie dieser Welt.“
(8.) „Sind Verschwörungen nicht eigentlich politisch überflüssig? Die herkömmliche Argumentationskunst reicht in Verbindung mit ganz banaler struktureller und wirtschaftlicher Macht doch völlig aus, um jedes noch so beliebige zufällige Ereignis in die eigenen Herrscher- und Präsidenten-Pläne geschmeidig einzufügen – das ist doch das, was wir aus der neueren Geschichte sogar als etabliert-wissenschaftliche Historiker wirklich ziemlich zuverlässig ersehen können.“
(9.) „Du willst, dass die Menschen ‚endlich die Wahrheit erfahren‘. Du gehst also davon aus, dass diese Wahrheit verborgen bleiben und geheimgehalten werden soll. Warum ist dann aber das Internet voll von verschwörungsideologischen Beiträgen? Kontrollieren ‚SIE‘, obwohl ‚SIE‘ angeblich so mächtig sind, beispielsweise etwa die größte Videoplattform nicht?“
(10.) „Du meinst, die ganze an den Universitäten etablierte Wissenschaft ist eine einzige Lüge? Du willst also sagen, in deinem Leben habe noch nie ein Medikament gewirkt und noch nie eine Chemikalie das getan, was sie sollte, kein einziges Flugzeug ist je geflogen, keine Wettervorhersage hat je gestimmt, ja nicht einmal ein einziger Lichtschalter hat je funktioniert? Oha – das ist natürlich ein echtes Problem. – Ach so, können wir uns also darauf verständigen, dass es Lebensbereiche gibt, in denen die akademische Wissenschaft Sinn ergibt, und andere Lebensbereiche, in denen sie weniger oder gar keinen Sinn hat? Sehr schön, das klingt vernünftig. – Dann erklär mir jetzt doch bitte mal, wie es mit der Falsifizierbarkeit deiner Verschwörungsideologie aussieht, das heißt, was passieren muss, damit du sie planmäßig als widerlegt anerkennst? Das angeben zu können gehört zu den wissenschaftlichen Grundstandards. – Fehlanzeige? Nun, dann wabert deine Verschwörungsideologie also sowieso nicht auf derselben Wirklichkeitsebene, auf der sich die etablierte Wissenschaft betätigt – folglich wird die etablierte Wissenschaft durch deine Verschwörungsideologie auch nicht widerlegt, weil die beiden verschiedenen Wirklichkeitsebenen gar keine Berührungspunkte haben und also nicht miteinander konkurrieren. Das ist kein Problem, ich habe sehr viel Verständnis für mystische Weltbilder, in denen die etablierte Wissenschaft keinen Stich macht – aber ich persönlich lasse in so einem Fall dann einfach die etablierte Wissenschaft parallel zur mystischen Wirklichkeit in ihrem eigenen Bereich weiter gelten, das scheint mir nämlich das Gesündeste zu sein.“
(11.) „Über welche überlegene Erkenntnismethodik verfügst du denn? – Du meinst, wir sollten das wissenschaftliche Wahrheitskriterium der Falsifizierbarkeit einfach weglassen? – Hm, strukturell so was Ähnliches hat doch die Bundesministerin Julia Klöckner neulich (pikanterweise kurz nachdem das Coronavirus speziell durch Schlachthöfe verbreitet wurde) auch gemeint: ‚Wir haben nicht genug Lebensmittelkontrolleure – also schreiben wir doch einfach weniger Lebensmittelkontrollen vor!‘ (sinngemäß zitiert). Diese Art von Logik hat mich ehrlich gesagt nicht überzeugt – und hier bei dir überzeugt sie mich ehrlich gesagt auch nicht. Ich glaube dir zwar, dass du von deiner Wahrheit restlos überzeugt bist – nur leider wird sie nur dann als gesellschaftliche Konsensbasis taugen, wenn sie sich vielen anderen Menschen auch mit streng vernünftigen Argumenten vermitteln lässt, weil nämlich diese vielen Anderen prinzipiell sehr unterschiedlich denken und die rationale Logik den kleinsten gemeinsamen Nenner der Gesellschaft darstellt. Was das angeht, sind die etablierten Wissenschaftler an den Universitäten mit ihrer Methodik deinen Wahrheitsbehauptungen gegenüber momentan leider noch klar im Vorteil.“
(12.) „Wie alle Verschwörungsideologien geht auch deine natürlich nicht von einer grundlegenden Gleichheit aller Menschen aus: Man gehört entweder zu ‚uns‘ oder zu ‚IHNEN‘. Sozial komplexe Beziehungsnetzwerke zwischen den ‚Seiten‘ kann es nicht geben. Denn wie könnte zum Beispiel einer von ‚IHNEN‘ eine Putzfrau haben, die eine von ‚uns‘ ist? Da aber ‚SIE‘, wie du sagst, nur wenige sind, ergo alle in Top-Positionen, und nicht Putzfrau, könnte es also durchaus sein, dass es bei ‚IHNEN‘ zuhause ganz schön schmutzig ist, was? Die Armen. – Eigentlich wäre es ganz normal und natürlich, dass man von diesem Punkt ausgehend, an dem du dich geistig befindest, Rassist und Antisemit wird. Bist du zufällig Rassist und Antisemit?“
(13.) „Wenn die angeblichen Verschwörer Menschen sind, werden sie älter und brauchen irgendwann Nachwuchs – eine neue Generation, an die sie den finsteren Zauberstab weitergeben können. Wie lösen ‚SIE‘ eigentlich ihr Rekrutierungsproblem? Mich haben ihre Headhunter jedenfalls noch nicht angesprochen, ob ich gerne in schwarzen Hubschraubern herumfliegen möchte – dabei fände ich das wirklich cool.“
(14.) „Sind das eigentlich Menschen, diese ‚SIE‘? ‚SIE‘ kommen mir so übermenschlich vor in ihrer angeblichen grenzenlosen Fähigkeit, alles, was auf Erden passiert, bis ins kleinste Detail zu kontrollieren und zu manipulieren – während ich selbst schon Schwierigkeiten habe, mir meine eigene Telefonnummer zu merken. Dabei sind ‚SIE‘ nicht einmal viele, oder – du sagtest doch, ‚SIE‘ sind eine kleine Gruppe? ‚DIE‘ müssen ja ganz schön große Köpfe haben – dafür gibt’s die Aluhüte bestimmt nicht mehr in Konfektionsgrößen. – Du sagst, du glaubst nicht an etwas Göttliches – dann ist es aber doch komisch, dass du diese ‚SIE‘ so schilderst, dass man den Eindruck bekommt, es handle sich bei ‚IHNEN‘ geradezu um Götter? – Könnte es dir vielleicht gut tun und helfen, mal wieder in die Kirche zu gehen? Sorry, war nur ein Scherz.“
(15.) „Sag mal, könnte es sein, dass du einfach nur an Verfolgungswahn, vulgo Paranoia, leidest? Es gibt dagegen heutzutage sehr gute Medikamente, manchmal kann man auch operieren. – Ach so, ‚DIE‘ würden dir bei der Gelegenheit dann bloß einen Chip ins Gehirn implantieren? Ja ja, ich verstehe… – aber vielleicht ist so ein Chip ja gar nicht so übel?“