„Idiocracy“?

In der vielversprechend konzipierten, wenn auch meines Erachtens nicht gerade meisterlich umgesetzten Kino-Komödie „Idiocracy“ (USA, 2006) wird ein mit dem IQ-Wert 100 „genau durchschnittlich“ intelligenter heutiger Mensch, ein US-Soldat, laut militärischem Versuchs-Plan für die Dauer eines Jahres eingefroren, dann aber verschlampt und vergessen und erwacht nach rund einem halben Jahrtausend wieder in einer Welt, in der er mit Abstand der Intelligenteste ist.

Kommentieren möchte ich an diesem für meinen Geschmack mehr interessanten als guten Film vor allem den Vorspann, der satirisch erklärt, wie es zu dem der Handlung zugrundeliegenden Verlauf der Menschheitsgeschichte gekommen sei: Da in der Hochzivilisation nicht mehr Darwins „survival of the fittest“ gilt, „belohnt“ die Evolution einer entsprechenden Spezies nur noch die schiere Zahl an Nachkommen; weil jedoch genau die Intelligenten infolge der Gedanken, die sie sich über das Kinderhaben machen, von projektiver Zweifel-Geplagtheit und Besorgtheit in ihrer Familienplanung gebremst und gehemmt werden, wächst der Gesellschaftsanteil an „fruchtbaren“ Dummen kontinuierlich an – was zu einem unaufhaltsamen Rückgang der durchschnittlichen Intelligenz führt, mit der Folge jener dystopischen Science-Fiction-Welt, auf welcher der Filmplot basiert.

Schauen wir uns diese humoristisch präsentierte Argumentation einmal mit aller gebotenen Ernsthaftigkeit genauer an.

Das evolutionsbiologische Konzept „survival of the fittest“ kann sich auf die unterschiedlichsten Merkmale beziehen, je nachdem, auf welche Stärken eine Spezies in Abhängigkeit von ihren ökologischen Nischen „setzt“. Wenn postuliert wird, in einer „Über“-Zivilisation (wie angeblich unserer heutigen) sei die entsprechende „gesunde Selektion“ außer Kraft gesetzt, so ist echt wissenschaftlich zunächst sofort die Gegenfrage zu stellen, welche „Fitness“-Kriterien denn der Vertreter dieser Hypothese überhaupt in Betracht gezogen hat, und ob die von ihm abgefragte Auswahl solcher Kriterien die kreative Vielzahl der evolutions-ökologischen Möglichkeiten zu „sinnvollen mutativen Investitionen“, die die Art erhalten, hinreichend abbildet. Mit dieser Frage will ich hier nicht weiter in die Details gehen.

Außerdem ist eine geschichtliche Betrachtung anzustellen, deren Vektor sich bis zu einem gewissen Grad unschwer in die Zukunft hinein verlängern lässt: Schon der erste römische Kaiser Augustus fühlte sich kurz vor Beginn unserer Zeitrechnung bemüßigt, durch mehrere Gesetzeserlasse, die erkennbar vor allem auf die damalige römische Oberschicht zielten, wie die „Lex Papia Poppaea“, die zölibatär Lebende explizit rechtlich benachteiligte, oder das „Ius trium liberorum“, das Familien mit mindestens drei Kindern bevorteilte, genau dasselbe Problem zu regeln, mit dem der im Vorliegenden zu besprechende Film sein Sujet unterbaut. Das historische augusteische Zeitalter mit seinen Nachwuchssorgen ist inzwischen gut zweitausend Jahre her – trotzdem hat die Intelligenz der Menschheit seit damals nicht erkennbar abgenommen.

Wenn man diese Beobachtung in unsere echte Zukunft hinein weiterdenkt, muss man feststellen, dass es zu einem Szenario wie dem im Film erfundenen real niemals kommen kann, weil bei einem Nachlassen des allgemeinen Intelligenz-Durchschnitts um nur zwei oder drei IQ-Punkte bereits innerhalb weniger Jahrzehnte der gesamte Betrieb unserer heutigen sensiblen zivilisatorischen Einrichtungen ins Wanken geraten würde; denn mindestens Personen, die sich auf das „Bug-Fixing“ in unserer Elektronik verstehen, müssen immer „engmaschig“ in erklecklicher Zahl vorhanden sein; Existenzen, die sich geistig sozusagen knapp oberhalb der Vegetationsgrenze bewegen, können das dabei Erforderliche nicht leisten.

Schließlich ist auf die „Epigenetik“ hinzuweisen. Deren Konzeptionsansatz – dass über unser physisches Schicksal nämlich nicht Gene allein entscheiden, sondern zusätzlich diverse nicht aus DNA bestehende Faktoren, die ein Gen aktivieren und es damit zur Auswirkung bringen, oder aber es „stummschalten“ – lässt sich philosophisch und spirituell auch noch in Richtungen ausweiten, in die einem strenge Biologen freilich nicht folgen werden. Intelligenz gilt derzeitigen Naturwissenschaftlern als sehr weitgehend genetisch disponiert und kaum durch andere Umstände beeinflussbar. Aber angesichts der weiterhin andauernden sehr dynamischen Entdeckungen auf dem Gebiet der Epigenetik darf man durchaus in Frage stellen, ob in Sachen Intelligenz auf streng empirischer Ebene wirklich schon das letzte Wort gesprochen wurde – von anderen, weniger streng empirisch belegbaren, aber vielleicht dennoch wirklichkeitsmächtigen Ebenen ganz zu schweigen.

Spirituelle Lehrer wissen es seit jeher mit großer Klarheit: Der wichtigste Lehrer im Leben eines Menschen ist das Leiden. Dieser Lehrer vermag Menschen Ungeheures zu lehren. Leiden ist nicht genetisch, Leiden wird gelernt – so seltsam das klingt. Leiden wird gelernt, weil es einen Sinn hat; und Leiden kann jeder lernen. Nur die Erlösung, die nach dem Leiden kommt und Leidensfähigkeit voraussetzt, folgt anderen Gesetzen. Dass unsere Zivilisation das Leidenspotenzial des Lebens abschafft, diese Hoffnung sollte sich in den letzten Jahrzehnten hinreichend als illusorisch erwiesen haben.

Weshalb für die Menschheit eine andere, bessere, sinnvollere Hoffnung durchaus besteht.

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Es ist ja wahr: Wir erleiden seit langem eine mutwillige Verblödungswelle. Alles muss „for dummies“ formuliert werden. Medienredaktionen jeglicher Couleur lehnen spätestens etwa seit den Achtzigerjahren schon großzügig alles ab, was sie für ihr gemutmaßtes Publikum, ihre Zielgruppe, auch nur ansatzweise als zu anspruchsvoll erachten. „Bologna“-prozess-konforme Schulbildung, die Einheits-Lern-Bolognese-Soße der vergangenen (womöglich auch verlorenen) zwanzig Jahre, möchte Schülern aller Schularten nur noch die „Kompetenz“ vermitteln zu wissen, auf welchen Wegen man sich Kenntnisse zu diesem oder jenem Gebiet verschaffen müsste, wenn man sich darauf denn näher auskennen wollte. Man bekommt, nur leicht überspitzt gesagt, die „Eins“ in Mathematik nicht länger dafür, dass man eine Berechnung unter Anwendung des Satzes des Pythagoras selbständig richtig ausführen kann, sondern dafür, dass man in einem Multiple-Choice-Test auf die Frage, ob der Satz des Pythagoras etwas mit Betriebswirtschaftslehre, Mathematik, Fußballregeln oder Medizinethik zu tun habe, die richtige Antwort ankreuzen kann – denn wenn man das weiß, dann könnte man ja theoretisch nähere Erklärungen zu diesem Satz später bei Bedarf sachgerecht in einem Mathematikbuch suchen. Der Film „Idiocracy“ wäre in keinerlei Hinsicht der Rede wert, wenn er nicht thematisch präzis eine Narbe geißeln würde, die unseren „westlichen“ Gesellschaften schon seit langem weh tut, über welchem Schmerz wir aber schon seit Jahrzehnten die Lippen steif halten. Eine Kehrtwende steht allerdings nun, wie ich zu prophezeien wage, in nicht mehr allzu großer zeitlicher Ferne bevor. In der Covid-Krise z.B. hörten Anfang 2020 plötzlich ungeahnte Massen stundenlang einem Professor Drosten zu, dem man zutraut, durch die bloße wissenschaftliche Staubtrockenheit seiner Ausführungen das Coronavirus an Verdursten sterben zu lassen. Auf die an solchen Anzeichen zu erahnende Wende hin ist auch der vorliegende Blog in seinem unverdrossenen Mut zum Anspruch geschrieben.

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