Es sollte wohl auf „Brüder im Geiste“ anspielen, als Joachim Kardinal Meisner einer geheimen Akte über klerikale Missbrauchstäter im Erzbistum Köln den Titel „Brüder im Nebel“ gab.
Angesichts der Tatsache, dass im Hebräischen der Bibel regelmäßig dieselben Wörter sowohl physische als auch transzendente Bedeutungen tragen können, fragt sich freilich, wer da eigentlich Geist und Nebel verwechselt hat: die „Protagonisten“ dieser Akte oder ihr Verfasser bzw. Auftraggeber.
Nun besteht ein interessanter Unterschied zwischen den beiden Sprachbildern darin, dass im einen Fall, „im Geist“, der gemeinsame Aufenthalt im selben Geisteszustand eindeutig die Voraussetzung für die Empfindung der Geschwisterlichkeit bildet, wohingegen im anderen Fall, „im Nebel“, vermutlich die ideelle Verbundenheit gerade in einer Situation betont werden soll, in der in einem wesentlichen Punkt eben gerade keine Gemeinsamkeit des Innenlebens vorliegt. Die andere semantische Möglichkeit wollen wir Kardinal Meisner jedenfalls nicht unterstellen; wenn wir das aber nicht tun, ist freilich schon bedenklich genug, dass ihm die semantische Fragwürdigkeit seines Sprachspiels nicht bewusst war.
Ein alter Witz aus der DDR fragte, weshalb man die Sowjetunion als „großen Bruder“ und nicht als „großen Freund“ bezeichne, und gab zur Antwort, dass man sich Freunde aussuchen könne. Angesichts dieser Einsicht fragt sich, wie sich eine falsche Auffassung von „Korpsgeist“ unter „Brüdern“ vermeiden lässt, die letztendlich zur Vertuschung von Straftaten führt. Vielleicht hat die Antwort darauf Konfuzius gegeben, dessen Lehre für meinen Geschmack so gar keine genialische Ausstrahlung hat, dafür aber sehr realistisch ist: Er meinte, es komme vordringlich darauf an, „die Sprache zu reinigen“ oder „die Begriffe zu ordnen“, oder wie immer man das Chinesische an dieser Stelle genau übersetzen möchte (was sich meiner Kompetenz entzieht).
Zumindest mit klaren Worten hätten in diesem Sinne die Kölner „Brüder im Nebelwerfen“ ja schon längst einmal anfangen können; das wäre definitiv nicht zu viel verlangt gewesen.